Jedes Unternehmen hat und nutzt Geschäftsgeheimnisse. Oftmals sind Geschäftsgeheimnisse für Unternehmen sogar wertvoller als registrierte gewerbliche Schutzrechte. Mit dem Erlass der Geschäftsgeheimnis-RL (EU-RL 2016/943) Mitte 2016 wurde die Harmonisierung des Geheimnisschutzes in der EU angestrebt. Die Frist zur Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-RL in nationales Recht ist am 9. Juni 2018 ausgelaufen. Deutschland hat die Frist verpasst: Der Regierungsentwurf eines Geschäftsgeheimnisgesetzes („Geschäftsgeheimnisgesetz-E“) wurde erst am 18. Juli 2018 veröffentlicht. Bis zum Inkrafttreten des Geschäftsgeheimnisgesetzes sind die nationalen Gerichte verpflichtet, nationales Recht richtlinienkonform auszulegen und den Bestimmungen der Geschäftsgeheimnis-RL Vorrang vor kollidierendem nationalem Recht zu geben. Daher ist dieses Thema fir Unternehmen schon heute relevant.
Der Entwurf des Geschäftsgeheimnisgesetzes ist grundsätzlich zu begrüßen, da der Schutz gestärkt und damit der Wert von Geschäftsgeheimnissen erhöht wird. Ähnlich wie in vielen anderen Mitgliedsstaaten der EU genossen Geschäftsgeheimnisse in Deutschland mit den §§ 17, 18 UWG bislang nur fragmentarischen Schutz.
Die Anforderungen an die Erlangung von Know-how-Schutz sind mit der Richtlinie aber gestiegen: Nach der Richtlinie und dem Geschäftsgeheimnisgesetz-E ist eine Information nur dann schutzfähig, wenn (i) sie geheim ist, (ii) hieraus ihr kommerzieller Wert resultiert und (iii) sie Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen war. Wenn Geheimnisinhaber diese Voraussetzungen nicht erfüllen, riskieren sie, dass wesentliches Know-how nicht als „Geschäftsgeheimnis“ qualifiziert wird.
Die Beantwortung der Frage, was konkret unter den „angemessenen Schutzmaßnahmen“ zu verstehen ist, wird den nationalen Gerichten überlassen. Die Begründung zum Geschäftsgeheimnisgesetzes-E lässt aber erahnen, dass die Anforderungen an die individuellen Schutzmaßnahmen davon abhängen werden, welchen Wert und welche Relevanz das jeweilige Geschäftsgeheimnis für das Unternehmen besitzt. Ein “one-size fits all”-Ansatz wird künftig daher nicht genügen.
Unternehmen in Deutschland ist daher schon heute dringend zu empfehlen, eine Bestandsaufnahme zu machen. Es sollten nicht nur bestehende Geschäftsgeheimnisse identifiziert, sondern diesen auch ein konkretes Schutzniveau zugewiesen werden. In jedem Fall sollten die standardmäßig verwendeten Geheimhaltungsvereinbarungen auf den neusten Stand gebracht und Mitarbeiter im Hinblick auf den Umgang mit Geschäftsgeheimnissen geschult warden.
Unternehmen müssen besonders wachsam sein, wenn neue Mitarbeiter innovatives Know-how in das Unternehmen einbringen. Das Geschäftsgeheimnisgesetz-E sieht vor, das auch dann eine Rechtsverletzung gegeben ist, wenn unter den gegebenen Umständen hätte bekannt sein müssen, dass die Person (z.B. der neue Arbeitnehmer), über welche die nutzende Person (z.B. das Unternehmen) in den Besitz des Geschäftsgeheimnisses gelangt ist, dieses rechtswidrig genutzt oder offengelegt hat. Falls ein Unternehmen nicht kritisch überprüft, ob ein neuer Arbeitnehmer Geschäftsgeheimnisse seines bisherigen Arbeitgebers mitbringt, macht es sich gegebenenfalls daher haftbar. Die Produktion und der Vertrieb von Produkten, welche (zu einem gewissen Grad) auf dem Geschäftsgeheimnis eines Dritten basieren, könnten sogar durch eine einstweilige Verfügung gestoppt werden.
Dies gilt nicht für öffentliche (also nicht-geheime) Informationen sowie die Erfahrungen und Fähigkeiten des Arbeitnehmers, solange der Arbeitnehmer diese Informationen auf redliche Weise im Verlauf seiner üblichen Tätigkeit erlangt hat.
Kommen neue Arbeitnehmer an Bord, die ausgereifte innovative Ideen mit im Wechselgepäck haben, sollte genau nachgefragt werden, woher die Ideen stammen. Mitarbeiter sollten geschult werden, das Thema „Umgang mit Geschäftsgeheimnissen von Dritten“ sollte Teil der Standardarbeitsverträge sein.
Die Geschäftsgeheimnis-RL verlangt von den Mitgliedsstaaten außerdem, die Regelungen zum Reverse Engineering zu harmonisieren.
Bis zum Inkrafttreten der Richtlinie war das Reverse Engineering in Deutschland nur dann erlaubt, wenn ein Experte nicht viel Zeit und Kosten aufwenden musste, um das Geschäftsgeheimnis aufzudecken. Das Geschäftsgeheimnisgesetz-E stellt nunmehr klar, dass der Erwerb eines Geschäftsgeheimnisses in Deutschland auch dann rechtmäßig ist, wenn es im Wege des Reverse Engineering erlangt wurde, also z.B. durch Beobachten, Untersuchen, Rückbauen oder Testen eines Produkts, das öffentlich verfügbar gemacht wurde oder sich im rechtmäßigen Besitz des Beobachtenden etc. befindet. In der Begründung zum Geschäftsgeheimnisgesetz-E wird aber klargestellt, dass das Reverse Engineering nur innerhalb der Grenzen des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb möglich ist.
Das Reverse Engineering durch den Vertragspartner kann vertraglich ausgeschlossen werden. Wenn eine solche Beschränkung gewünscht ist, sollte dies schon bei Vertragsentwurf Berücksichtigung finden.
Das Geschäftsgeheimnisgesetz-E hält sich sehr genau an die Vorgaben der Richtlinie und statuiert zahlreiche Maßnahmen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen in Gerichtsverfahren. Diese reichen von der generellen Verpflichtung aller Prozessbeteiligten zur Geheimhaltung von vertraulichen Informationen, bis hin zur Beschränkung des Kreises derjenigen Prozessbeteiligten, die Zugang zu Anhörungen und Dokumenten haben.
Die Möglichkeit eines so genannten „in camera“ Verfahrens hat keinen Eingang in das Geschäftsgeheimnisgesetz-E gefunden. Es hätte den Ausschluss der gegnerischen Partei und die substantiierte Darlegung eines Geschäftsgeheimnisses zur Begründung bzw. Abwehr eines Anspruchs erlaubt, ohne dem Gegner bzw. Wettbewerber hierbei Zugang zu seinen sensiblen Daten zu geben.
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