Force-Majeure und „höhere Gewalt“

Ein Leitfaden für Maschinen- und Anlagenbauer

Seid der Corona-Krise sind, bisher eigentlich eher stiefmütterlich behandelte „Force-Majeure“ Klauseln in aller Munde. Epidemien, Pandemien oder sonstige Ausbrüche von Krankheiten können grundsätzlich einen Fall “höherer Gewalt” darstellen. Doch sowohl die rechtliche Einstufung als höhere Gewalt als auch die möglichen Rechtsfolgen sind stark vom Einzelfall abhängig und damit mit einiger Rechtsunsicherheit verbunden. Entscheidend ist, was im jeweiligen Vertrag zu dieser Frage geregelt ist und – falls die Frage dort nicht behandelt wird – wie die, dem Vertrag zugrunde liegende Rechtsordnung diese Problematik löst.

Wir wollen versuchen, einige der wichtigsten Fragen zu beantworten: Was bedeuten die Klauseln ganz konkret? Wann und wie kann man sich darauf berufen? Und was ist zu tun, wenn sich der Kunde oder auch der Lieferant darauf beruft? Nachfolgend finden Sie die wichtigsten Aspekte überblicksartig zusammengefasst. Eine detaillierte Darstellung mit vielen Beispielen finden sie hier.

„best practice“ bei Force-Majeure- und „höhere Gewalt“-Klauseln

I. Wenn sich das eigene Unternehmen auf ein Force-Majeure Ereignis berufen möchte:

  1. Vertragliche Regelungen gehen grundsätzlich vor: Zunächst ist zu prüfen, ob es im einschlägigen Vertrag eine sog. Force-Majeure-Klausel gibt. Gerade in den englischsprachigen Vertragsmustern für den Maschinen- und Anlagenbau sind solche Klauseln oft standardmäßig enthalten (z.B. FIDIC, Yellow-Book, Clause 18). Meistens definiert eine solche zunächst den Begriff der „höheren Gewalt“ und regelt dann, wer welche Verantwortlichkeiten hat.
  2. Ausdrücklich (am besten schriftlich) im jeweiligen Vertragsverhältnis sich darauf berufen, dass ein Fall von Force-Majeure gegeben ist und offenlegen, welche Umstände dazu führen, dass die Situation nicht aus eigener Kraft überwunden werden kann (unter objektiven Gesichtspunkten).
  3. Zeigen Sie Verhandlungsbereitschaft: Wirken Sie ggf. auf eine für beide Seiten akzeptable Vertragsanpassung hin.
  4. Kein Fall gleicht dem anderen: In jedem Einzelfall muss separat geprüft und rechtlich beurteilt werden, ob ein Fall von höherer Gewalt gegeben ist oder nicht. Dies gilt auch für die Fälle der Unmöglichkeit und der Störung/dem Wegfall der Geschäftsgrundlage. In jedem Fall empfiehlt es sich die Umstände sorgfältig, etwa im Hinblick auf ein späteres Gerichtsverfahren zu dokumentieren!
  5. Welche Maßnahmen können ergriffen werden, um den Schaden zu minimieren?
  6. Sind weitere Parteien (Versicherer, Lieferanten) zu unterrichten.

II. Wenn das eigene Unternehmen von einem Kunden oder Lieferanten den Hinweis bekommt, er sei durch Force Majeure behindert

  1. Vertragliche Regelungen haben Vorrang (s.o. I.1.)
  2. Bitte beachten: Sog. Force-Majeure-Zertifikate – meist legen Unternehmen aus China solche vor – haben nur Indizwirkung; diese Bescheinigungen sind im Blick auf die rechtliche Wertung nicht verbindlich, ob tatsächlich ein Fall von Force-Majeure bzw. höherer Gewalt vorlag, entscheidet im Zweifel ein Gericht.
  3. Unerlässlich ist eine detaillierte Prüfung, worauf der Kunde oder Lieferant seine Behauptung stützt. In Zeiten der Corona-Krise beruft sich der ein oder andere Vertragspartner gerne auf Force-Majeure, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind.
  4. Auch wenn tatsächlich einem Fall von Force-Majeure auszugehen ist, sollte der andere Vertragspartner unter Fristsetzung zur Leistung aufgefordert werden: der Kunde etwa zur Abnahme oder der Lieferant zur Lieferung.
  5. Grundsätzlich empfehlen wir (nicht nur in Krisenzeiten), alternative Lieferanten vorzuhalten – Stichwort: Supply Chain Risk Management.
  6. Auch hier gilt wieder: kein Fall gleicht dem anderen (s.o. I.4).

 

         

Dr. Fabian Christoph                          Martin Launer
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