Die neue europäische Maschinenverordnung VO (EU) 2023/1230 („Maschinen-VO“) wurde am 29. Juni 2023 im Amtsblatt der europäischen Union veröffentlicht und wird die derzeit geltende EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG („Maschinen-RL“) zum 14. Januar 2027 ablösen.
Wirtschaftsakteure, die Maschinen herstellen, importieren, ver- oder betreiben müssen sich frühzeitig mit den Änderungen der Maschinen-VO auseinandersetzen, um rechtliche Neuerungen im eigenen Unternehmen frühzeitig umsetzen zu können. Über einige wesentliche Änderungen wollen wir Ihnen nachfolgend einen Überblick verschaffen.
Die neue Maschinen-VO tritt am 19. Juli 2023 in Kraft und wird nach einem Übergangszeitraum von 42 Monaten am 14. Januar 2027 (Stichtag) im europäischen Rechtsraum (27 Mitgliedstaaten sowie EWR, Türkei und Schweiz) anwendbar sein. In der Übergangszeit sollten sich Hersteller, Importeure, Händler und Betreiber von Maschinen darauf vorbereiten, die Anforderungen der Maschinen-VO zu erfüllen, da sie ab dem Stichtag zwingend zu erfüllen sind. Dies gilt insbesondere für die Zertifizierung und Dokumentation von Maschinen. Die Maschinen-VO gilt als europäische Verordnung unmittelbar und muss nicht mehr durch einen nationalen Rechtsakt in nationales Recht umgesetzt werden. Des Weiteren ist die Maschinen-VO an den New Legislative Framework angepasst, der darauf abzielt, den europäischen Binnenmarkt für Waren zu verbessern und die Bedingungen für das Inverkehrbringen einer breiten Palette von Produkten auf dem EU-Markt zu stärken und der zusätzliche Product-Compliance Pflichten mit sich bringt. Konkret bedeutet dies, dass nun auch Importeure und Händler in den Pflichtenkreis der Maschinen-VO einbezogen werden.
Ein Ziel des europäischen Gesetzgebers ist es, mehr Klarheit zum Anwendungsbereich und der Begrifflichkeiten der Maschinen-VO zu schaffen. Der Anwendungsbereich (Art. 2 Maschinen-VO) umfasst vollständige Maschinen sowie „dazugehörige Produkte“ gem. Unterabschnitt 1, unvollständige Maschinen, auswechselbare Ausrüstungen, Sicherheitsbauteile, Lastaufnahmemittel, Ketten, Seile und Gurte sowie abnehmbare Gelenkwellen. Eine wesentliche Änderung erfolgt insbesondere für die Definition des „Sicherheitsbauteils“ (Art. 3 Nr. 3 Maschinen-VO). Dieser Begriff umfasst jetzt auch digitale Bauteile und Software, die zur Gewährleistung einer Sicherheitsfunktion konstruiert oder bestimmt sind. Eine nicht abschließende Auflistung von Sicherheitsbauteilen findet sich in Anhang II der Maschinen-VO. Des Weiteren soll der Anwendungsbereich der Maschinen-VO besser von anderen europäischen Rechtsakten abgrenzbar sein. Dementsprechend soll die Maschinen-VO nicht anwendbar sein, wenn die in Art. 2 Abs. 2 p) Maschinen-VO benannten elektrischen und elektronischen Produkte in den Anwendungsbereich der Niederspannungsrichtlinie (2014/35/EU) und der Funkanlagenrichtline (2014/53/EU) fallen. Die Praxis muss sich auch an die neue Strukturierung der ebenfalls rechtsverbindlichen Anhänge der Maschinen-VO gewöhnen, da sie der europäische Gesetzgeber komplett neu geordnet hat.
Die insbesondere in der Praxis relevante und häufig diskutierte Auslegung der wesentlichen Veränderung einer Maschine hat der europäische Gesetzgeber in Art. 3 Nr. 16 Maschinen-VO neu definiert. Eine „wesentliche Veränderung“ ist demnach „eine vom Hersteller nicht vorgesehene oder geplante physische oder digitale Veränderung einer Maschine oder eines dazugehörigen Produkts nach deren bzw. dessen Inverkehrbringen oder Inbetriebnahme, die die Sicherheit der jeweiligen Maschine oder des dazugehörigen Produkts beeinträchtigt, indem eine neue Gefährdung entsteht oder sich ein bestehendes Risiko erhöht“ und die eine Anpassung der Schutzeinrichtungen, des Sicherheitssteuerungssystems oder zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich macht.
Überfällig ist im Zuge der globalen Digitalisierung die Einführung einer digitalen Betriebsanleitung. Eine digitale Betriebsanleitung ist nach der neuen Maschinen-VO nun zumindest in B2B-Geschäftsverkehr ausdrücklich erlaubt; „Betriebsanleitungen und sonstige relevante Unterlagen können in einem digitalen, druckbaren Format bereitgestellt werden.“ (Erwägungsgrund 40 Maschinen-VO). Die Konformitäts- bzw. Einbauerklärung dürfen zukünftig immer ausschließlich in digitaler Form bereitgestellt werden. Allerdings ist der Hersteller weiterhin dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, „dass die Händler auf Verlangen des Nutzers zum Zeitpunkt des Kaufs in der Lage sind, die Betriebsanleitung kostenlos in Papierform zur Verfügung zu stellen.“ (Erwägungsgrund 40 Maschinen-VO). Außerdem muss der Hersteller dem Nutzer auf dessen Verlangen die Betriebsanleitung innerhalb eines Monats kostenlos in Papierform bereitstellen (Art. 10 Abs. 7 Maschinen-VO).
Im B2C Bereich gilt jedoch, dass für Maschinen, die für die Verwendung von “nichtprofessionellen Nutzern“ bestimmt sind oder „unter vernünftigerweise vorhersehbaren Umständen“ von diesen verwendet werden können, die Sicherheitsinformationen weiterhin in Papierform bereitgestellt werden müssen.
Für die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen regelt die Maschinen-VO nunmehr auch Anforderungen an die Cybersecurity (vgl. Anhang III, Ziffern 1.1.9 und 1.2.1 Maschinen-VO) und die künstliche Intelligenz (vgl. Anhang III, Ziffern 1.1.6 f) und 1.2.1 Abs. 2 d) und Abs. 3).
Hersteller von Maschinen haben zukünftig die Verpflichtung, die Maschine bzw. das dazugehörige Produkt so zu konstruieren und zu bauen, dass „Risiken im Zusammenhang mit neuen digitalen Technologien“ und Bedrohungen der Cybersicherheit die Sicherheitsfunktionen der Maschine nicht beeinträchtigen (vgl. Erwägungsgrund 25 Maschinen-VO). Bei Maschinen und dazugehörigen Produkten, die im Rahmen eines gemäß der Verordnung (EU) 2019/881 (Cybersecurity Act) angenommenen Schemas für die Cybersicherheitszertifizierung zertifiziert wurden oder für die eine Konformitätserklärung erteilt wurde, kann davon ausgegangen werden, dass sie den in Anhang III Abschnitte 1.1.9 und 1.2.1 Maschinen-VO aufgeführten Anforderungen entsprechen, soweit diese sie abdecken.
Eine wünschenswerte Verknüpfung mit dem Entwurf der KI-Verordnung hat der europäische Gesetzgeber jedoch nicht vorgenommen. Die Entkopplung der beiden Verordnungen birgt daher die Gefahr inkongruenter oder gar widersprüchlicher Anforderungen und die mögliche Notwendigkeit, die KI-Verordnung für die Anwendung der Maschinen-VO zusätzlich heranzuziehen. Produkte mit künstlicher Intelligenz definiert die Maschinen-VO gemäß Anhang I Teil A Nr. 6 als „Maschinen, die über eingebettete Systeme mit vollständig oder teilweise selbstentwickelndem Verhalten unter Verwendung von Ansätzen des maschinellen Lernens verfügen, (…)“. Wie praxistauglich diese Definition ist, wird erst die Zukunft zeigen.
Die neue Maschinen-VO enthält einige relevante Neuerungen. Mit einer frühzeitigen und gründlichen Vorbereitung im Unternehmen kann die Implementierung und Einhaltung der Verordnung zum Stichtag jedoch erfolgreich realisiert werden.
Martin Launer, Dipl.-Ing. (FH)
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Jennifer Beckmann
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